Wechselmodell (Doppelresidenzmodell) und Kinderfreibetrag/Erziehungsfreibetrag

  • Guten Tag, liebe Steuerfreundinnen und -freunde,

    ich praktiziere seit 2013 das Wechselmodell, d. h. meine beiden Kinder wohnen ganz genau zur Hälfte bei mir und zur Hälfte beim Vater. Sie wechseln wöchentlich. Ein Kind ist beim Vater gemeldet, für dieses Kind bekommt er Kindergeld. Ein Kind ist bei mir gemeldet, für dieses erhalte ich das Kindergeld. Keiner zahlt Unterhalt an den anderen.

    Nun habe ich dies gelesen:

    Der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 b ZPO ("Kinderfreibetrag") steht bei einem minderjährigen Kind, das im paritätischen Wechselmodell abwechselnd in den Haushalten beider Eltern betreut wird, jedem Elternteil in voller Höhe zu. Bei einem Kind, das im gemeinsamen Haushalt seiner Eltern lebt, die beide über Erwerbseinkommen verfügen, also grundsätzlich auch beide anteilig dem Kind betreuungs- und barunterhaltspflichtig sind, kann jeder Elternteil aufgrund der gesetzlichen Pauschalierung den vollen Freibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 b ZPO in Anspruch nehmen. Dann können Eltern, die sich - bei insgesamt höheren Kosten - die Unterhaltspflichten in getrennten Haushalten teilen, im Ergebnis nicht schlechter behandelt werden.

    Beschluss des OLG Dresden vom 05.08.2015, Az.: 20 WF 294/15

    Ich bekomme es aber nicht hin, diesen Sachverhalt in der Steuersparerklärung zu erfassen. Vielleicht kann mir jemand von euch helfen.
    Für das bei mir gemeldete Kind ist alles wie gewünscht.
    Aber für das beim Vater gemeldete Kind bekomme ich immer nur den halben Kinderfreibetrag und auch nur den halben Erziehungsfreibetrag ausgewiesen, weil ich ja angebe, dass das Kind beim Vater gemeldet ist und der auch das Kindergeld bekommt.

    Was muss ich zum Kind in der Steuersparerklärung angeben, damit ich auch für das zweite Kind die vollen Beträge bekomme?

    Und noch etwas: Leider habe ich diesen Sachverhalt erst heute erfahren und in der Steuererklärung 2013 bis 2017 daher nicht den vollen Kinderfreibetrag erhalten für das zweite Kind. Kann ich das irgendwie rückwirkend bekommen?

    Vielen Dank für eure Hilfe und beste Grüße,
    H@rriet

  • Guten Abend Herr Jung,

    weil meine Schwester mir im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung zur Steuerfachangestellten von dieser Möglichkeit berichtet hat, habe ich nach " Wechselmodell" und "Kinderfreibetrag" gegoogelt und den o. g. Beitrag hier gefunden : https://www.jurion.de/news/324494/Ki…-Wechselmodell/.

    Da hätte ich nun gerne gewusst, wie ich das bei Ihrer Anwendung " Steuersparerklärung" in Anspruch nehmen kann...

    Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir helfen könnten.

    Viele Grüße,
    H@rriet

  • So einen extremen Vorteil (doppelter KFB) für Geschiedene können Sie nicht in den amtlichen Steuerformularen und auch nicht in unserer Steuersoftware unterbringen.

    Mit freundlichen Grüßen aus Mannheim
    Martin Jung

  • Hallo Herr Jung,

    warum sollte dies ein extremer Vorteil für beide Eltern sein? Kinder haben ihren Wohnsitz grundsätzlich bei beiden Eltern. Sie können daher unter Beachtung des § 1626 BGB auch bei beiden Eltern gemeldet sein. Das wurde offenbar in dem hier behandelten Fall nicht erkannt. Wenn ein Kind bei einem Elternteil gemeldet ist, schließt das nicht aus, dass es bei dem anderen nicht auch gemeldet sein kann. Aber manchmal kann ein erwachsen gewordenes Kind nachteilig für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sein, den hier auch beide Elternteile (alternierend?) beanspruchen können. Hier geht es aber um die Betreuungskosten.

    @H@rriet,

    einfach so, dass deine Kinder beide bei jedem von euch gemeldet sind. Unter Umständen kann es notwendig werden, dass ihr die Kinder noch jeweils bei sich selbst/beim anderen melden müsstet. Kinder können so viele Wohnsitze haben, wie ihre Eltern insgesamt haben. Bei getrennten Paaren, mindestens zwei.

    … Papa

  • Guten Morgen Herr Jung,

    ich muss meine Position von gestern wieder zurücknehmen. Schon die angeführte Quelle hätte zu erkennen geben müssen, dass sie für Fragen im Steuerrecht nicht geeignet ist. Hier ging es um einen Streitgegenstand betreffend Unterhalt im paritätischen Wechselmodell. Der Klassiker bei Familiensachen. Und im Einzelfall, um die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nach der Entscheidung (egal wie die ausgegangen sein mag.), ob ratenfreie oder die Prozesskosten in Raten zu begleichen seien. Bei der komplizierten Berechnung des verbleibenden Einkommens von Barunterhaltszahlungspflichtigen Elternteilen werden auch entsprechende (namentlich) Freibeträge angeführt, auch Kinderfreibeträge, welche beim Einkommen nicht nur bei der der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen sind. Hier wäre der Antragsteller schlechter gestellt gewesen. Solche Entscheidungen haben natürlich ebenso eine gewisse Interessenrelevanz, so dass bei Benutzung von einschlägigen Suchmaschinen entsprechende Ergebnisse ungefiltert ausgegeben werden.

    Die Kinderfreibeträge betreffend des Familienleistungsausgleichs nach § 31 EStG können natürlich nicht zweimal gewährt werden. Es ist aber so, dass das Wechselmodell noch nicht hinreichend steuerrechtlich erforscht ist oder vom Gesetzgeber ausdrücklich zugewiesen ist, wenn es um Betreuungskosten geht, die Eltern teilen sich die Kindergartenkosten oder die Nachmittagsbetreuung einer Schule. Trotzdem können diese Kosten nur für den Zeitraum gewährt werden, wo das Kind im Haushalt gemeldet ist. Das ist natürlich schwierig bei der Mitwirkungspflicht zur Ermittlung des Steuertatbestands zu erklären.

    Das sich in Ausbildung befindliche Steuerfachangestellte bereits so früh mit derartig komplizierten Sachverhalten außerhalb des für die Ausbildung relevanten Steuerrechts beschäftigen, dürfte eher privater Natur sein als notwendiger Ausbildungsinhalt.

    Tut mir leid, wenn ich hier Irritationen gestiftet habe.

    VG ...Papa

  • Hallo Zusamen,

    vielen Dank, Papa, für deine freundliche Antwort, die ich erst heute - zusammen mit deiner zweiten Antwort - gelesen habe. Meine Verwirrung hielt sich daher in Grenzen, also keine Grund zur Sorge.

    Ich hatte den Sachverhalt zwischenheitlich beim Finanzamt direkt angefragt und heute die Antwort der Sachbearbeiterin erhalten.

    Die lautet so:


    Es verhält sich also alles ganz wie von dir beschrieben, Papa.

    Vielen Dank und viele Grüße,
    H@rriet

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